Ein Grenzüberschreiten zu einem ersten kosmischen Erleben
Das Maṇipūra-Chakra ist bekannt für Feuer, Dynamik und Spannkraft im Menschen. Doch weist dieses Chakra auch eine intensive Beziehung zum Luftelement auf. Wird die Luft durch den Raum, in welchem sie sich ausdehnt, bewusst wahrgenommen, so entsteht ein Erleben von Weite. In dieser bewusst erlebten Weite fügt sich der Körper in ein größeres Umfeld ein und weicht in seiner rein physischen Dominanz etwas zurück. Der Übende überschreitet im Bewusstsein seine körperliche Grenze und erlebt sich ein Stück kosmischer.
Die Luft als Entfaltungsraum
So wie ein Fisch im Wasser schwimmt, sind wir beständig von Luft umgeben. Die Luft ist uns nahe, sie umkleidet den Körper, wir bewegen uns in ihr und nicht zuletzt atmen wir sie beständig ein- und aus. Wir sind von ihr durchdrungen und somit intensiv verbunden.
Was ist der Luftraum eigentlich? Obwohl der Luftraum als uns umgebender Raum nicht sichtbar ist, ist er zunächst dennoch als grobstofflich zu bezeichnen. Man spürt ihn in seiner feinen Luftbewegung oder im Wind. Er ist Träger von Staubpartikeln und Düften. Er kann also mit den Sinnen wahrgenommen werden.
Auf einer feineren, seelischen Ebene ist sie Träger von Stimmungen und bildet die sogenannte gute oder schlechte Atmosphäre. Interessanterweise ist es ja der Mensch selbst, der die Atmosphäre mit ihren unterschiedlichen Qualitäten erbaut. Angst, Enge, Bedrohung oder interessierte, offene und verbindende Stimmungen im Miteinander sind von Menschen selbst geschaffen. Sie sind im eigenen Inneren wie auch in der äußeren Atmosphäre erlebbar.
Das Maṇipūra-Chakra ist ein leicht zugängliches Zentrum, um die Grenze dieser psychischen und körperlichen Gefühle zu einer größeren erbauenden Weite zu überschreiten. Einerseits verströmen sich die dynamischen Impulse aus dieser aktiven Mitte weit in den Luftraum hinaus und bilden eine offene Atmosphäre. Andererseits zentriert sich die Wahrnehmung der Weite zu dieser aktiven Mitte. Sie bedingen und fördern sich gegenseitig. (1)
Die Haut ist ein Kontaktorgan
Die Haut grenzt den Menschen einerseits nach außen ab, sie ist aber auch zugleich das Kontaktorgan nach außen. Über den Tastsinn spürt man beispielsweise wie die Luft die Haut berührt. Man spürt ob sie warm oder kalt, feucht oder trocken ist, als kompakt oder dünn empfunden wird. Die Haut entspannt sich mit der Sinnestätigkeit des Tastens, die Poren öffnen sich, die Hautfläche wird größer. So wird die Abgrenzung der Haut etwas offener und kontaktfreudiger erlebt.
Die Haut wird allgemein vielleicht gar nicht so sehr beachtet. In der Yoga-Tradition ist dieser Aspekt aber sehr wohl bekannt. So sprach B.K.S. Iyengar in seinen Übungsanleitungen und Interviews immer wieder aus, gezielt die Haut zu entspannen.
Ein Gegenbild zu der entspannten, offenen Peripherie ist eine trotzige, verschlossene Haltung mit Tendenz zum psychischen Rückzug und einer Abwehr nach außen wie beispielsweise beim Trotz. Hier zieht sich auch die Haut zusammen und grenzt den Menschen gezielt nach außen ab. Der Mensch ist dann auf sich selbst zurückgeworfen und die wechselseitigen beziehungsfreudigen Impulse zur Umwelt finden nicht mehr statt.
Der Luftraum eröffnet Weite
Im Tanz wird dieses Erleben von Weite besonders anschaulich sichtbar. Die Bewegungen der Tänzer gleiten in den Raum hinaus. Sie benötigen den Raum, um sich zu entfalten und man bekommt als Betrachter den Eindruck, dass sie sich in den Luftraum geradezu verströmen.
Gerade die choreographische Gestaltung benötigt diesen zur Ausdehnung der Bewegungen. Die drei Dimensionen Tiefe, Breite und Höhe werden durchschritten und mit vielerlei Bewegungskombinationen erfüllt. Tänzer sind sich meist bewusst, dass die Bewegung nicht an der physischen Grenze endet, sondern sich nach außen verströmt. Eine freie Bewegung wirkt ästhetisch, leicht, anmutig und erfüllt den Raum mit Schönheit. Sie schafft Atmosphäre.
Bewegung kann aber auch ausschließlich auf den Körper ausgerichtet sein. Das kennt jeder. Es ist dann der Fall, wenn man beispielweise in der Gymnastik oder auch im Yoga die Muskeln, Sehnen, Bänder und die Gelenke kräftigen und beweglich machen möchte und gleichzeitig ganz auf den eigenen Erfolg fixiert ist. Man ist da „ganz bei sich“, schwitzt und arbeitet. Die Wahrnehmung zur Umgebung ist hier nicht im Fokus.
Ein erstes kosmisches Erleben eröffnet sich
Ohne den Begriff „kosmisch“ (3) umfassend zu definieren, kann vielleicht erahnt werden, dass die Bewegungsrichtung von innen nach außen nicht in eine Enge, sondern in eine Ausdehnung und Erweiterung übergeht. Blickt man von der Erde aus in den Kosmos mit seinem unendlichen Sternen-Meer, so ahnt man, dass es geistige Gesetzmäßigkeiten gibt, welche die Planeten in einer Ordnung ihrer Umlaufbahnen halten und diese auch auf uns Menschen einwirken. Wir sind ein Teil des Universums.
Die differenzierte Wahrnehmung zum umgebenden Luftraum bildet den Anfang für erste Empfindungen zum kosmischen Erleben und deren Gesetzmäßigkeiten.
by Angelika
(1)
Hierzu gibt es vielfältige Übungsanleitungen im Neuen Yogawillen. Beispielsweise in dem Buch Der freie Atem von Heinz Grill
(2)
Der Begriff Äther wird hier geisteswissenschaftlich verwendet. Die Äther sind eine feinere, lebendige Substanz in den Elementen. im Feuer der Wärmeäther, im Licht der Lichtäther, im Wasser der Chemischer Äther und in der Erde der Lebensäther.
(3)
Kosmos kommt aus dem Griechischen und bedeutet Universum oder auch das gesamte Weltall. Darunter wird eine Weltordnung mit ihren Gesetzmäßigkeiten verstanden.
Siehe auch die Artikel: Die Eigendynamik der Wirbelsäule und Die Heilwirkungen durch das Anheben der Rippenbögen. Alle drei Artikel entstanden aus den Themen der Studientage an der Freien spirituellen Hochschule Lundo