Hatha Yoga – Der Ursprung

„Yoga ist Jahrtausende alt“ …. Stimmt das wirklich?

Eine kleine Übersicht über die drei wesentlichen historischen Schriften auf die sich Yogaübende berufen: Bhagavad Gita, Yogasutren von Patanjali und die Hathayogapradipika

 

Bhagavad Gita

3000 v. Chr. entstanden die Veden mit der Bhagavad Gita. Sie beinhaltet die drei großen Yogapfade: Jnanayoga, Bhaktiyoga und Karmayoga. Das heißt übersetzt Yoga der Erkenntnis, der Hingabe und des selbstlosen Dienstes am Anderen.

Es handelt sich hier im Rahmen eines Kriegsgeschehens zwischen zwei Stämmen um eine Unterweisung von Krishna an Arjuna. Es geht aber nicht um einen irdischen Kampf, sondern um die Erkenntnisse von seelisch- geistigen Gesetzmäßigkeiten, die Arjuna in einer Unterweisung erhält. Von Hathayoga ist hier noch nicht die Rede.

 

Yogasutren von Patanjali

Im Zeitraum 200 vor bzw. 200 nach Chr. werden die Yogasutren von Patanjali angegeben, ebenfalls in einer Zusammenfassung von bisher mündlich überlieferten Weisheiten.

„Sutra“ bedeutet eine stichpunktartige Aufzeichnung und Aufzeichnungen im Sinne von kurzen Merksätzen. Aufgrund der sehr knapp gehaltenen Formulierungen wurden sie von namhaften Autoren interpretiert, von denen natürlich jeder eine unterschiedliche Sichtweise einbrachte. Dennoch werden die Yogasutren stilübergreifend von vielen Praktizierenden als die wesentliche Grundlage gesehen, da in ihnen erstmals der Rajayoga, der königliche Pfad des Yoga, beschrieben wird. Er ist zu den drei Pfaden der Bhagavad Gita der vierte bedeutende Pfad und wird auch der achtstufige Pfad, Asthangayoga benannt. Auf diesen möchte ich etwas ausführlicher eingehen, da in ihm der Hathayoga als eigener Bereich erstmals erwähnt wird.

Die 8 Stufen sind in dem folgenden Schema verdeutlicht. Sie sollen nacheinander praktiziert werden, so dass ein Weiterschreiten erst dann sinnvoll erscheint, wenn eine Stufe zur Vervollkommnung gekommen ist.In der 3. Stufe erscheinen erstmals die Asana, zunächst nur als Sitzhaltung.

  1. Yamas sind „Enthaltungen“, die den Umgang mit der Umwelt regeln: Nicht verletzen, Wahrhaftigkeit, Nicht stehlen, Brahmacharya = sexuelle Enthaltsamkeit, Nichtannehmen von Geschenken
  2. Niyamas sind persönliche Verhaltensregeln, bzw. Disziplinen: Reinheit, Zufriedenheit, Askese, Selbststudium, Verehrung des Göttlichen
  3. Die dritte Stufe sind die Asana, die stillstehenden Körperhaltungen, die allgemein unter dem Begriff Hathayoga bekannt sind. Die wesentlichste Körperhaltung ist dabei die Sitzhaltung, der Lotussitz, der auch zu anderen Praktiken, wie der von Pranayama und Meditation benötigt wird. Sie werden hier aber nicht näher beschrieben, auch gibt es keine Zeichnungen von Körperpositionen. In den Sutren von Patanjali stehen gerade zwei, drei Sätze, die auf die Körperübungen Bezug nehmen und zwar ausschließlich auf die Sitzhaltung, die als Grundlage zu den Pranayama Atemübungen und zur Konzentration und Meditation dient:Der erste Satz lautet: Sthira-sukham asanam. Es bedeutet: „Sitzhaltung ist, was fest und angenehm ist“ Dann: Tato dvamdvanabhighatah. „Ist die Sitzhaltung errungen, hindern die Dualitäten nicht mehr.
  4. Es folgt Pranayama, die geführten Atemübungen, die für den Yogin von sehr wesentlicher Bedeutung waren und mit deren Hilfe er sich in veränderte Bewusstseinszustände befördern konnte.
  5. Pratyahara bedeutet Zurückziehen der Sinne. Die Sinnestätigkeit, beispielsweise im Gesichtsbereich mit Sehen, Hören, Riechen, Schmecken werden als Tore zur Welt betrachtet, die nach der Yogaphilosophie eine Anhaftung an die Welt bewirken. Daher sollen sie zurückgezogen werden. Im Bild ist ein Beispiel für eine Übung benannt, die die Sinne in ihrer ausströmenden Tätigkeit unterbinden sollen.
  6. Dharana = Konzentration
  7. Dhyana = Mediation, Kontemplation
  8. Samadhi = Überbewusstsein, Erleuchtung

Die kombinierte und gleichzeitige Ausführung der letzten drei Stufen wird als Samyama bezeichnet und sind zusammen mit Prathyahara der Innere Weg, während die ersten Stufen die äußeren Bedingungen dazu schaffen sollen.

Der Rajayoga ist auf eine Charakterschulung ausgerichtet und wie eine Leiter aufgebaut, die von unten nach oben in acht Stufen bis zur höchsten Vervollkommnung und das „Eins-werden mit dem Göttlichen“, dem Samadhi, der Erleuchtung zum Ziel hat. Dabei soll jede Stufe erst zur Vollkommenheit gereift sein, bevor die nächste erklommen wird.

 

Hathayogapradipika

Um 1500 erschien die Hathayogapradipika, aus dem Sanskrit übersetzt von Svatmarama

Das Buch ist sogar ganz gut verständlich zu lesen. Hier ist der Rajayoga deutlich ausführlicher beschrieben und jetzt wird es für uns interessant, weil einige Begriffe und Wirkungsweisen, die die Asanapraxis betreffen, ganz konkret ausgeführt werden:

Beispielsweise werden die 7 Chakren benannt und beschrieben, die Nadis (feinstoffliche Kanäle: Sushumna, Ida, Pingala), dann Kundalini und die Wirkungsweise des Prana. Darauffolgend sind für den Yogi so wichtigen Pranayama- Techniken mit den sogenannten Verschlüssen (Bandhas) aufgeführt, um die Pranaenergie zu lenken und zu sammeln. Weiterhin sind die Reinigungsübungen ausführlich beschrieben, sowie die Ernährungsvorschriften genannt.

Das Kapitel: „Die Vorschriften über Asana.“ wird eingeleitet mit der Verehrung des Gottes Siva, durch den die Lehre des Hathayoga verkündet wurde. Dann folgen lange Aufzählung aller durch den Hathayoga erleuchteten Yogis und die Beschreibung der Bedingungen in der Zelle, in der der Yogi praktizieren solle.

Man erwartet vielleicht bekannte Yogaübungen aus dem heutigen Yogakurs, aber die klassischen Yogaübungen sind doch etwas anders, als sie heute und im Westen praktiziert werden.

Zuerst werden die Sitzhaltungen, derer es viele gibt, beschrieben: Svastika, Gomukha, Virasana, Kurmasana. Die Sitzhaltung waren sehr wesentlich für den damaligen Yogi, da er sie als Grundlage zur Meditation und dem Pranayama benötigte.

Dann Kukkutasana, Uttanakurmasana und Dhanurasana (ist nicht der heute bekannte Bogen) und Matsyanathasana (= Drehsitz)

Ich zitiere die Pascimatana (= Kopf- Kniestellung) einmal genauer, damit sich jeder Interessierte ein Bild machen kann, wie diese Beschreibungen aussehen:

„ 28. Wenn man die Füße gleich Stöcken auf den Boden ausstreckt, mit den Händen die beiden Fußspitzen ergreift und die Stirne auf die Knie legend (in dieser Stellung) verweilt, so nennt man dies Pascimatana.“

„ 29. Dieses unter den Asana hervorragende Pascimatana macht, dass der Atem durch Pascima geht, befördert die Verdauung und bringt bei den Menschen Magerkeit des Bauches und Gesundheit hervor.“

Es folgen Mayurasana (= eine Art „Fisch“) und Savasana, die Entspannungslage, dann Siddhasana, Padmasana, Simhasana und Bhandrasana.

 

Ist Yoga nun Jahrtausende alt?

Man kann es bejahen, wenn man ihn in seiner Philosophie der geistigen Yogawege betrachtet. Wenn man ihn aber, wie heute üblich, rein auf die Körperübungspraxis bezogen sieht, trifft dies nicht zu.

Im Mittelalter wurden von Svatmarama in der Hatha-Yoga-Pradipika nur oben genannte Asana beschrieben. Sie wurden damals nur von einzelnen Menschen und im Zusammenhang der Philosophie als geistiger Schulungsweg praktiziert und waren alles andere als in der Bevölkerung verbreitet. Zudem gibt es noch weitere Ursprungsquellen des Yoga, die im Hinduismus wie auch im Buddhismus verankert sind. Da diese weniger bekannt sind werden sie in der breiten Öffentlichkeit auch weniger zur Kenntnis genommen.

Heute ist Hatha-Yoga im Osten wie im Westen gesellschaftsfähig und allgegenwärtig und zeigt sich in vielen verschiedenen Formen. Diese Entwicklung hat aber erst um 1900 in Indien seinen Ausgang genommen, wie wir in den folgenden Beiträgen sehen werden.

Indische Seelenverfassung

Heute schauen wir mit jetzigem Bewusstsein und westlichem Verständnis auf diese alten Weisheiten. Wie kann man diese aber wirklich verstehen? Wie können wir die Indische Seelenverfassung  und die daraus entwickelte Philosophie nachvollziehen, die so ganz anders ist als wir es uns vorstellen können?

Für das Indische Bewusstsein ist das Leben nach dem Tode beispielsweise ein selbstverständlicher Teil des Daseins. So sehr, dass diesem mehr Bedeutung beigemessen wurde, als dem gegenwärtigen, greifbaren materiellem Leben. Man könnte es auch so ausdrücken: Nicht für das gegenwärtige Leben sollte viel für sich genommen, sondern  für das nachtodliche Leben viel hergegeben werden … Zu diesem Fragenkomplex werden wir in unserem Magazin/blog noch ausführlich kommen

Ein empfehlenswertes Buch über die Jahrtausend alte Geschichte des Yoga mit seinen verschiedenen Strömungen des Buddhismus über Vedanta- und Samkhya-Philosophie, Tantra und Cakra-Lehre bis zur Konfrontation von östlicher und westlicher Denkungsart ist von Helmtrud Wieland, eine Schülerin von Boris Saccharow verfasst und heisst: Das Spektrum des Yoga

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