Yoga Entwicklung in Europa

Frühe Beziehungen zu Indien

Ende des 18. Jahrhunderts begann sich in theosophischen Kreisen ein reges Interesse an indischem Kulturgut zu entwickeln. Die Engländer hatten Indien schon länger besetzt, es gab also schon einen Reiseverkehr und Austausch. Von Interesse war für die Theosophen das indische Kulturgut mit den Philosophien; insbesondere die Bhagavad Gita und die Yogasutren von Patanjali wurden in dieser Zeit erstmals ins Deutsche übersetzt. Auch Vivekananda (1863 – 1902, linkes Bild) und später Yogananda (1893 – 1952, rechtes Bild) sind große indische Persönlichkeiten, die im Westen bekannt waren und deren Schriften eine wesentliche Grundlage zur Auseinandersetzung boten.

               

Es war etwas Besonderes, aber keine Seltenheit, wenn Theosophen und Okkultisten auch Fakire nach Europa eingeladen haben, um sich mit ihnen auseinanderzusetzen. Es gibt durchaus einige bekannte Namen und Foto Dokumentationen. Auch in Deutschland waren indische Lehrer tätig: z.B. Yogi Matho oder Yogi Vithaldas. Man ließ sich die Methoden demonstrieren, auch die Körperübungen, und untersuchte, erforschte diese Phänomene. Praktiziert wurden aber vordergründig die mentalen Übungen.

Vor der Körperübungspraxis wurde jedoch in der Regel eingehend gewarnt. Die bekannte Theosophin Helena Blavatsky, die als Vorsitzende der Theosophischen Gesellschaft sicher Autorität besaß, sagte beispielsweise dazu:

„Ich möchte jedem Schüler strengstens davon abraten, irgendeine dieser Hatha Yoga Übungen zu versuchen, denn er wird sich entweder gänzlich ruinieren oder sich selbst soweit zurückwerfen, dass es nahezu unmöglich sein wird, den verlorenen Boden in dieser Inkarnation wiederzugewinnen … Hütet Euch sage ich!“

(Das Zitat ist aus der Doktorarbeit von Christian Fuchs „Die Rezeption des Yoga in Deutschland“ 1989, entnommen)

Sportliche „Körperertüchtigung“ im Westen zeitgleich zu Krishmamacharia`s Yoga für die breite Bevölkerung 

Schon vor 1900 entwickelten sich verschiedene Bestrebungen einer neuen Körperkultur, was ursprünglich – wie in Indien – der Wehrhaftigkeit des Volkes dienen sollte. Die Ling`sche oder „Schwedische Gymnastik“ war eine Grundlage zum militärischen Drill. Auch der Sport Turnvater Jahns war sicherlich ein Vorläufer der zuerst einmal dem männlichen Geschlecht eine Körperertüchtigung zugestand. Die zunächst militärisch anmutende Volksertüchtigung bedeutete das Volk gesund zu erhalten und wehrfähig zu machen; erst später durften auch Frauen Gymnastik üben.

Die Bewegungen im Männerturnen, wie auch die Gymnastik der Frauen erinnern teilweise durchaus an Yogapositionen. Wenn man die Bilder, also deutsche Turner und Gymnastikdamen mit indischen Yogis vergleicht, so erscheinen sie von äußeren Bild durchaus identisch.

Wer sich ausführlich informieren möchte, empfehle ich folgende Literatur:

Ein schwarzes Kapitel: Yoga im Nationalsozialismus

Inder Zeit vor dem 2. Weltkrieg (1941 – 1945), also in den 20er und 30er Jahren waren es weiterhin die Theosophen und Okkultisten, die sich mit dem „indischen Fakirtum“ beschäftigten. Es gab eine ganze Reihe von Büchern und Veranstaltungen, sowie Berichte in Tageszeitungen und in Fachzeitschriften. Der Schwerpunkt des Interesses lag aber noch eindeutig auf den okkulten Hintergründen, nicht auf einer körperlichen Praxis.

In dieser Zeit waren auch Issberner-Haldane und J.W. Hauer schon aktiv, die beide eine für uns vermutlich fremd anmutende Gesinnung vertraten. Sie studierten die Originale der indoarischen Schriften, das sind die Veden und die Bhagavad Gita und bekannten sich in den 30er Jahren zunehmend öffentlich dazu, dass diese „arischen Schriften“ nicht von Juden gelesen werden durften, da sie diese verunreinigen würden!

Es sollte mit dem Yoga ein Ariertum geschaffen werden, die der Gesinnung des Nationalsozialismus entsprach! Dafür gibt es einige Belege. Das Buch Yoga im Nationalsozialismus von Matias Tietke gibt dazu einige gut recherchierte Einblicke.

Innerhalb des 2. Weltkrieges wurde die Yogapraxis nicht verboten, wie man allgemein hin annimmt.

Ein weiteres Indiz für den Missbrauch der Yogaphilosophie für den Nationalsozialismus ist Heinrich Himmler selbst, der insbesondere persönlich, aber auch innerhalb der SS die Lehre der Bhagavad Gita für sich uminterpretierte und zur Reinwaschung seines Gewissens hinsichtlich des Völkermordes an den Juden benutzte. (!)

Das sind sehr neue und ungewöhnliche Informationen, die festgesetzte Klischeevorstellungen verändern.

Sivananda Yoga in einem europäischen Gewand ?!

Swami Sivananda war, obwohl er als Sadhu in einem Ashram lebte, ein sehr weltoffener und auch westlich orientierter Mann. Er pflegte einen regen Briefwechsel mit Menschen aus aller Welt und schrieb täglich mehrere Briefe.

Aus Europa waren es Boris Saccharow (Deutschland) und Andre von Lysebeth (Belgien), die jeweils im Briefaustausch – ohne Swami Sivananda persönlich begegnet zu sein (Van Lysebeth begenete ihm erst 1963) – quasi im Fernstudium, den Yoga studierten und in Europa entwickelten und etablierten.

Wenn man deren Übungsansatz allerdings mit dem von Vishnu Devananda vergleicht, so finden sich völlig andere Stile und Schwerpunkte. Vishnu Devananda ist selbst Inder, lernte in engstem persönlichem Verhältnis direkt bei Sivananda und war spiritueller Schüler. Er ging in den Westen und integrierte das indische Kulturgut in westliche Verhältnisse. Saccharow, ein Russe, der in Deutschland lebte, und Van Lysebeth, ein Belgier, waren beide in europäischer Denk- und Lebensweise und christlicher Erziehung geprägt. Sie kommen von ihrem Standpunkt aus in Kontakt mit Swami Sivananda und entwickeln in der Auseinandersetzung mit einer unbekannten indischen Philosophie und exotisch anmutenden Körper- und Atempraxis, eine Übungspraxis in Europa. Beide griffen die Rishikesh- Reihe auf und entwickelten sie nach ihrem Verständnis weiter.

Boris Sacharow  1899 -1959

Er war Exilrusse und flüchtete 1919 aus Russland, nachdem 1917 in der Oktoberrevolution seine Eltern ermordet wurden. Er gründete 1937 in Berlin die erste Yogaschule europaweit, die auch im Krieg weiter bestand (!). In der Nachkriegszeit lebte er und arbeitete in Bayreuth, sowie in Nürnberg / Fürth. Er starb 1959 bei einem Autounfall auf der Rückfahrt von einem Yogakurs von Fürth nach Bayreuth. Er begegnete Sivananda nicht persönlich, erhielt jedoch mit einer Urkunde den Ehrentitel „Yoga-Raj“, was einer Ehrendoktorwürde entspricht.

Sein Nachfolger ist sein Schüler Sigmund Feuerabendt, der die Arbeit weiterführte und seinen Sitz später von Bayreuth nach Ingolstadt verlegt hatte. „Feuerabendt – Yoga“ ist heute insbesondere im Raum Ingolstadt weit verbreitet. Eine weitere Schülerin von Sacharow war Helmtrud Wieland, die sich vor allem mit ihrem Buch über Yogaphilosophie einen Namen gemacht hat.

Andre van Lysebeth  1920 – 2004

Er war ein Wegbereiter für den Yoga in Europa. 1963 begegnete er Sri Sivananda in Rishikesh und erhielt dort ebenfalls ein Diplom der „Yoga Vedanta Forest Academy“.In den folgenden Jahren bereiste er Südindien und lernte ab 1964 bei Patthabi Jois. Asthangayoga floss also später in seinen Stil mit ein.

Seine Schriften wie „Yoga für Menschen von heute“ erschienen zunächst in französischer Sprache und breiteten sich schnell im deutschsprachigen Raum aus.

Selvarajan Yesudian – Sein Stil prägte den deutschsprachigen Raum in den 50er und 60er Jahren

In Indien geboren und aufgewachsen studierte er Medizin in Ungarn, 1940 eröffnete er mit Elisabeth Haich die erste Yogaschule in Budapest, 1948 in der Schweiz, 1951 die bekannte Sommerschule am Luganer See.

Über seinen Yogastil, den er in Indien kennen lernte ist nichts weiter bekannt. Man weiß nur, dass er ein schwächliches Kind aus einer Ärztefamilie war und er Privatunterricht von einem indischen Yogalehrer bekam, wodurch er gesundheitlich sehr aufbaute. In seinem Buch „Sport und Yoga“ ist er als kräftiger junger Mann in verschiedenen Posen abgebildet. Er selbst bezieht sich philosophisch auf Vivekananda und Ramana Maharishi.

Yesudian`s Stil prägte die schweizerische, wie auch deutsche Nachkriegs- Yogaszene intensiv. Er hatte über Jahre hinweg wöchentlich bis zu 1000 Yogaschüler. Viele Yogalehrer, die später den BDY, den „Bund Deutscher Yogalehrer“ begründet haben, praktizierten seinen Stil und lernten bei ihm. Er selbst mied trotz seines großen Zulaufes die Medien.

Eine Ausführliche Würdigung Jesudians hat Reto Zbinden, Schweiz veröffentlicht: Selvarajan Yesudian und ein halbes Jahrhundert Yogageschichte in der Schweiz

Hier gehts zur Beschreibung seines Übungsstils: Yesudian Yoga

In den 70er / 80er Jahren

entstand in Europa wie auch Amerika ein regelrechter Yoga Boom. Erstmals kamen Impulse von Amerika nach Europa, wie z.B. die „Mitmach- Hatha- Yoga Gymnastik“ von Karen Zebroff im Fernsehsendungen, welche enthusiastisch aufgenommen wurden.

In Deutschland entstanden Yogaschulen und die Yogalehrer begannen sich in Verbänden zu organisieren und Ausbildungsstandards festzulegen. Yoga an Volkshochschulen boomte und  Yogazeitschriften wurden populär.

Bildquellen