Heinz Grill und Der neue Yogawille

Heinz Grill  (geb. 1960 in Deutschland)

begründete in den letzten 30 Jahren einen zeitgemäßen geistigen Schulungsweg, den „Neuen Yogawillen“ und lebt heute am Gardasee in Italien.

Er ist spiritueller Lehrer, Yogalehrer, Heilpraktiker, Alpinist und Schriftsteller mit einem umfassenden Werk von 60 Büchern.

Sein Lebenswerk versteht er nicht als einen neuen Yogastil oder Yogarichtung. Vielmehr möchte er die Individuation des Einzelnen fördern, die ganz unabhängig von einer Yogarichtung oder religiösen Überzeugung ist. Dieser Schulungsweg kann daher auf ganz freie Weise alle Übungspraktiken und Lebensbereiche bereichern und mit neuen Erkenntnissen durchdringen.

 

Ein Weg von oben nach unten

Auf der Grundlage des klassischen Yoga und der Anthroposophie erforschte er in einer ganz persönlichen Forschungsarbeit seelische und geistige Gesetzmäßigkeiten und deren Auswirkung auf den heutigen Menschen in der westlichen Kultur.

Die Körperübungen des Yoga (asana)  nehmen in diesem Schulungsweg einen zentralen Stellenwert ein. Sie sind Teil des geistigen Schulungsweges und dienen als Ausdrucksmittel für die entwickelten seelische- geistigen Erkenntnisse des Übenden. Das geistige Studium ist hier also nicht getrennt zur körperlichen Praxis zu sehen, es findet über den Erkenntnisprozess (Jnana) mit den Körperübungen unmittelbar zusammen.

 

Der Körper wird zum ästhetischen Ausdrucksmittel für die Seele

Wie übt man? Spirituelle und praktische Gedankeninhalten zur asana stehen am Anfang der Praxis. Sie werden in einer persönlichen Auseinandersetzung vorweg ergründet und schließlich während der Ausführung der Körperübungen weiterhin praxisnah erforscht. Das Üben mit dem Körper wird auf diese Weise  mit einer regsamen Bewusstseinsaktivität bereichert und erfahrungsgemäß fügt sich der Körper leichter und müheloser in die Bewegungen ein. Die Bilder und Vorstellungen bereiten offenbar die Bewegung vor.

Es geht also nicht um ein reines Körpertraining, denn dem ästhetischen Ausdruck der Übung wird mehr Beachtung geschenkt, als der physischen Perfektion. Damit sind  die Körperübungen erstmals zu Seelenübungen geworden. Hier ein Beispiel:

Der Freie Atem 

Allgemein wird im Hatha Yoga der Körper trainiert und dieser mithilfe einer Synchronisierung vom Atmung und Bewegung energetisch aufgeladen. Heinz Grill schlägt jedoch vor den Atem in den Körperübungen gänzlich frei zu lassen anstatt zur Energieaufladung des Körpers zu benutzen.

Ein freier Atem begleitet hier die Praxis und wird durch verschiedene leichte Bewegungen in seiner Intensität und Qualität,Tiefe und Weite in den verschiedenen Regionen des Körpers bewusst wahrgenommen. Anspruchsvolle Übungen stellen nicht nur eine körperliche Herausforderung dar; sie fordern das Bewusstsein heraus wach und beobachtend hinsichtlich der Atmung und der körperlichen Verhältnisse zu bleiben.

Heinz Grill beschreibt die Vorgehensweise in Die Heilwirkungen der gelösten Bewegung so:

„Das intensive emotionale Erspüren des Körpers im Sinne von Wohlbefinden oder Schmerz, weicht einem übersichtlichen Beobachten, einem neutralen, gedanklich orientiertem Wahrnehmen, das sich nicht so sehr an die Gefühle des Körpers zurückbindet. Obwohl der Übende Behaglichkeit und Schmerz wahrnimmt, bleibt er in seinem Bewusstsein möglichst frei von diesen Erscheinungen und lenkt die Aufmerksamkeit verantwortungsvoll, bis er eine ästhetische und ideale Position einnehmen kann. Setzt der Schmerz der Bewegung beispielsweise eine Grenze, versucht der Übende diese nicht zu durchbrechen oder die aufkommende Spannung hinwegzuatmen, er beobachtet vielmehr die Verhältnisse gegenüber dem Körper und seinen verschiedenen emotionalen Reaktionen. Er macht sich nicht gänzlich von Behagen oder Unbehagen abhängig, sondern formt durch seine Vorstellungen eine zunehmende wachsende Gelöstheit, lässt bewusst den Atem leicht fließen und entwickelt schließlich ab jenem Moment der Entspannung und des ersten Frei-Seins vom Körper die erneute Formung und Anspannung für die asana. Eine lichte und ästhetische Ausdrucksgebung entsteht zuletzt in der Endstellung.“

In dem Buch „Der freie Atem und der Lichtseelenprozess – Der neue Yogawille in seiner Beziehung zur Anthroposophie“ sind für Anfänger, aber auch für fortgeschrittene Yogapraktizierende viele Anregungen zur Freien Atmung gegeben.

 

Die Soziale Komponente des Yoga: Nach Innen zentriert und nach Außen offen

Bewusste Wachheit nach außen beschreibt Heinz Grill als ein Ideal in der Yogapraxis und als eine Forderung unserer Zeit, um zu einer tatsächlichen inneren Ruhe und schließlich zur Meditation zu gelangen.

Am Beispiel vom Baum tadasana kann man dieses Ideal studieren: Die ganze Person ist vertikal im Lot aufgerichtet, die Augen sind geöffnet und die Wahrnehmung unkompliziert nach außen gerichtet. Dennoch wirkt die Person nach Innen, genauer gesagt zur Wirbelsäule und zum Herzen hin zentriert.

 

 

 

Im Rajayoga wird Pratyahara, das zurückziehen der Sinne, als die 5. Stufe des Yogaweges beschrieben. Die Sinnestätigkeiten, wie Sehen, Hören, Riechen, Schmecken und Tasten musste der alte Inder tunlichst zurückziehen, um nicht an der Welt anzuhaften. Auch heute fühlen sich die meisten Menschen von den vielen Sinneseindrücken in der hektischen und schnelllebigen Welt verausgabt und von sich entfremdet. Da möchte man die Augen schließen und endlich Ruhe finden und meditieren. Daher möchte eine/r in einer Yogastunde gerne alle Alltagseindrücke hinter sich lassen.

Im Neuen Yogawillen kommt der Lenkung der Sinne nach außen aber eine besondere Bedeutung zu, denn gerade in der sinnvollen und sogar vertieften Beziehungsaufnahme zu den Erscheinungen der Welt soll ein Bewusstwerden der tieferen Lebenszusammenhänge stattfinden, die schließlich zur Einkehr nach Innen und zur Meditation führen. Der Yogaübende verbindet sich dadurch intensiver mit der Welt, er bleibt aber dennoch frei von ihren Bindungen. Freilich müssen diese Betrachtungen gedanklich gezielt gelenkt werden, damit es zu einer Sammlung anstatt einer Zerstreuung führt. In Yogawiki findet sich ein bemerkenswerter Artikel zu diesem Thema:  Pratyahara Möglichkeiten und Vergleiche zum anthroposophischen Schulungsweg

Diese Offenheit und das Interesse am Umfeld wird sich ganz natürlich auf das soziale Leben übertragen. Eine dringende Notwendigkeit, denn wie viele Menschen ziehen sich aufgrund von Überforderungen im Alltag zurück, suchen Regeneration im Rückzug von der Welt oder in Kompensationen und leiden immer mehr unter einer Inneren Leere mit Beziehungslosigkeit, Empfindungslosigkeit und Einsamkeit.

 

Und zum Schluss: Wie entsteht nun eine freie Bewegung?

In dem Artikel: Die Bewegung aus dem Ätherischen beschreibt Heinz Grill den Unterschied von einer rein motorischen Bewegung, die der Schwerkraft unterliegt und einer sensorischen Bewegung, die auf den Gesetzmäßigkeiten des sogenannten Ätherleibes oder Pranaleib beruht, und somit nicht der Schwerkraft unterliegt.

Im folgenden Video ist gut zu beobachten, wie die Bewegung durch ein Loslassen des Körpers entstehen kann. Auch wenn dies jenseits der persönlichen Möglichkeiten liegt, so kann das Studieren der Zusammenhänge die Übungspraxis individuell bereichern. Der Yogaübende kann auf seinem persönlichen Niveau mehr Leichtigkeit, Freiheit und Ästhetik erlangen.

Siehe auch die Beschreibung der Übungspraxis in Der neue Yogawille

Bildquellen

  • Heinz Grill Baum tadasana: Buch: Heinz Grill, Die Seelendimension des Yoga - Praktische Grundlagen zu einem spirituellen Übungsweg | All Rights Reserved